Eureka und eine späte Genugtuung

Seit dem jüngsten „Schlag gegen die Mafia“ (der übrigens EUREKA heißt: Polizisten leben ihre poetische Ader in den Namen der Ermittlungen aus) wurde mal wieder die Mafia in Deutschland entdeckt – woraufhin ich in einen publizistischen Schleudergang geriet (keine Sorge: Übermorgen wird die Mafia in Deutschland wieder vergessen sein).

Bemerkenswert für mich ist, dass es sich bei dieser Ermittlung um Protagonisten handelt, die seit den 1990er Jahren aktenkundig sind. Über die sogenannte „Erfurter Gruppe“ habe ich bereits im Jahr 2008 in meinem Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ geschrieben – und genau diese Passagen wurden auf Geheiß deutscher Gerichte geschwärzt.

Zu meiner Dokumentation gehörte auch die „Operation FIDO“ aus dem Jahr 2001: deutsch-italienische Ermittlungen, die nach nur zwei Jahren überraschend eingestellt und – keine 22 Jahre später – zum Gegenstand des thüringischen Untersuchungsausschuss wurden. Alle Journalisten, die nach mir über die „Erfurter Gruppe“ berichtet haben (Jürgen RothFrancesco ForgioneMDR) wurden ebenfalls verklagt und haben die Prozesse ebenfalls verloren.

Vertieft habe ich meine Beschäftigung mit der „Erfurter Gruppe“ auch in meinem Buch „Von Kamen nach Corleone. Die Mafia in Deutschland“ Und wer sich schnell eine Vorstellung von dem machen will, was Mafia wirklich bedeutet, dem sei mein Reclambuch empfohlen: Mafia. 100 Seiten“.

Die „Erfurter Gruppe“ kam ursprünglich aus Duisburg, war in das Mafia-Massaker vor der Pizzeria Da Bruno von 2007 verwickelt und hat es sich sehr komfortabel in der deutschen Gastronomie und im Immobiliengeschäft eingerichtet – wo ihr Drogenhandel und ihre Geldwäsche – dank bester Beziehungen bis in die Spitzen der Politik – weiter florierten. So konnte das in Deutschland gewaschene Geld wieder erfolgreich investiert werden – etwa in Italien und in Portugal. Daher wird einer der Köpfe der „Erfurter Gruppe“ von den anderen Mafiosi auch bewundernd „Berlusconi“ genannt.

Die „Erfurter Gruppe“ hat Standbeine in ganz Deutschland – unter anderem auch in München. Da ist es schon verwunderlich, wenn sich der bayerische Innenminister im Jahr 2023 – und die Präsenz der Mafia in Deutschland seit 60 Jahren aktenkundig ist, zu behaupten traut, Deutschland werde von den Mafiosi lediglich als „Ruheraum“ betrachtet: »Bayern sei aber nicht der „Schwerpunkt der eigentlichen kriminellen Aktivitäten“, sondern diene der Organisation „als Ruheraum“ für Personen, die sich der Strafverfolgung in Italien entziehen und sich hier unauffällig bewegen wollten.«

So ein Satz beweist, dass es in Deutschland keinerlei politischen Willen gibt, die Mafia zu bekämpfen. Die Mafiosi wissen das ganz genau. Und machen sich darüber lustig, wie im Haftbefehl nachzulesen ist, wenn sie bewundern, dass besagter „Berlusconi“ seine Geschäfte in Deutschland ungehindert betreiben kann:

„Überleg mal, wie lange der schon in Deutschland ist … Tatsächlich haben sie dem nie etwas getan. So viele Pipipipipipipipipipi-Ermittlungen. Und dabei haben die eine Sauerei gemacht, die haben sechs Menschen umgebracht“.

Im Haftbefehl sind überhaupt jede Menge Perlen mafioser Weisheit zu entdecken, so erklärt ein Mafioso einem Neuling in Deutschland, wie man hier vorzugehen hat:

»In Deutschland musst du Steuern zahlen. Du kannst sogar einen Menschen umbringen … solange du Steuern zahlst.«

Deutschland, das Mafia-Paradies. Lustig ist nachzulesen, wie in Münchener Autowaschanlagen Geld gewaschen wurde. Und es sogar im kleinen Bergkamen, dem Nachbarort von Kamen, wo ich aufgewachsen bin, zu einer Verhaftung wegen einer „Drogenplantage“ kam.

Italiener betrachten es übrigens als beleidigend, wenn ein deutscher Minister mit dem Hinweis auf den vermeintlichen Rückzugsraum die deutschen Bürger zu beruhigen versucht – weil das ja beweist, dass es okay ist für Deutschland, wenn Mafiosi nach Deutschland kommen und hier ihr mit Mord, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, mit Giftmüll und Erpressungen verdientes Geld investieren, solange sie keine Morde begehen. Es bedeutet, aus Italien betrachtet, dass Deutschland die Mafia bewusst ignoriert, weil Deutschland von der Mafia profitiert.

Am Ende soll von der Mafia einfach nur die Pizzeria übrigbleiben, mit dem Grappa, der vom Wirt ausgegeben wird. Gottchen, was heißt schon Mafia? Sich zu tarnen, das praktiziert der ‘Ndrangheta-Clan, der jetzt bei den Ermittlungen im Mittelpunkt steht, schon seit Jahrzehnten.

Im Grunde sind alle anständigen Italiener Opfer der Mafia. Denn die Mafia vereinnahmt und pervertiert genau die Werte, für die Italien geliebt wird: die Herzlichkeit, die Grosszügigkeit, die Gastfreundschaft.

Die „Erfurter Gruppe“ hat Standbeine in ganz Deutschland – unter anderem auch in München. Da ist es schon verwunderlich, wenn sich der bayerische Innenminister im Jahr 2023 – und die Präsenz der Mafia in Deutschland seit 60 Jahren aktenkundig ist, zu behaupten traut, Deutschland werde von den Mafiosi lediglich als „Ruheraum“ betrachtet: »Bayern sei aber nicht der „Schwerpunkt der eigentlichen kriminellen Aktivitäten“, sondern diene der Organisation „als Ruheraum“ für Personen, die sich der Strafverfolgung in Italien entziehen und sich hier unauffällig bewegen wollten.«

So ein Satz beweist, dass es in Deutschland keinerlei politischen Willen gibt, die Mafia zu bekämpfen. Die Mafiosi wissen das ganz genau. Und machen sich darüber lustig, wie im Haftbefehl nachzulesen ist, wenn sie bewundern, dass besagter „Berlusconi“ seine Geschäfte in Deutschland ungehindert betreiben kann:

„Überleg mal, wie lange der schon in Deutschland ist … Tatsächlich haben sie dem nie etwas getan. So viele Pipipipipipipipipipi-Ermittlungen. Und dabei haben die eine Sauerei gemacht, die haben sechs Menschen umgebracht“.

Im Haftbefehl sind überhaupt jede Menge Perlen mafioser Weisheit zu entdecken, so erklärt ein Mafioso einem Neuling in Deutschland, wie man hier vorzugehen hat:

»In Deutschland musst du Steuern zahlen. Du kannst sogar einen Menschen umbringen … solange du Steuern zahlst.«

Deutschland, das Mafia-Paradies. Lustig ist nachzulesen, wie in Münchener Autowaschanlagen Geld gewaschen wurde. Und es sogar im kleinen Bergkamen, dem Nachbarort von Kamen, wo ich aufgewachsen bin, zu einer Verhaftung wegen einer „Drogenplantage“ kam.

Italiener betrachten es übrigens als beleidigend, wenn ein deutscher Minister mit dem Hinweis auf den vermeintlichen Rückzugsraum die deutschen Bürger zu beruhigen versucht – weil das ja beweist, dass es okay ist für Deutschland, wenn Mafiosi nach Deutschland kommen und hier ihr mit Mord, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, mit Giftmüll und Erpressungen verdientes Geld investieren, solange sie keine Morde begehen. Es bedeutet, aus Italien betrachtet, dass Deutschland die Mafia bewusst ignoriert, weil Deutschland von der Mafia profitiert.

Am Ende soll von der Mafia einfach nur die Pizzeria übrigbleiben, mit dem Grappa, der vom Wirt ausgegeben wird. Gottchen, was heißt schon Mafia? Sich zu tarnen, das praktiziert der ‘Ndrangheta-Clan, der jetzt bei den Ermittlungen im Mittelpunkt steht, schon seit Jahrzehnten.

Im Grunde sind alle anständigen Italiener Opfer der Mafia. Denn die Mafia vereinnahmt und pervertiert genau die Werte, für die Italien geliebt wird: die Herzlichkeit, die Grosszügigkeit, die Gastfreundschaft.


Natürlich sind diese Ermittlungen für mich eine späte Genugtuung – nicht zuletzt, weil sich einer meiner Kläger jetzt in Untersuchungshaft befindet. Was natürlich nicht beweist, dass der gute Mann tatsächlich schuldig ist. Selbstverständlich gilt auch für ihn, den missliche Umstände jetzt in diese unerfreuliche Lage gebracht haben, die Unschuldsvermutung.

Genugtuung auch im Hinblick auf meine letzte gerichtliche Auseinandersetzung, bei der Jakob Augstein als Herausgeber und Chefredakteur des Freitag mich fallen gelassen hat – und mir überdies „Fake News“ unterstellte – weshalb ich, zur Finanzierung meiner Rechtskosten ein Crowdfunding veranstaltet habe.

Wie immer in solchen Momenten, erinnert sich auch die deutsche Journalistenbranche der Existenz der Mafia in Deutschland – die ja ansonsten eher als schwer verkäufliches Thema gilt. Ich habe also etliche Interviews gegeben, nachzulesen und nachzuhören hier und hier und hier und hier und hier. Gegen mein Interview in der Abendzeitung hat das bayerische Innenministerium pflichtgemäß protestiert.