Es waren einmal ein Goody und ein baady.

Ja, Sie haben den Presseclub zu Recht schon lange vermisst, aber Sie wissen ja, wie das so ist. Feiertage, Familie und dann war da auch noch DAS BUCH.

Renzi, remember? Wird ja heute nicht mehr so viel bejubelt, in der deutschen Presse. Auch weil man nicht genau weiß, wie man mit ihm umgehen soll, wenn er plötzlich gegen La Merkel herumstänkert. Nach dem Motto: Wie jetzt? Wir hatten doch immer geschrieben, dass er der goody ist. Und der baady war doch B. Und der ist jetzt weg. Also bleibt uns nur noch, den goody zu bejubeln. Aber wie sollen wir ihn bejubeln, wenn er sich mit La Merkel anlegt?

Man ist verwirrt, in der deutschen Renzi-Fankurve, beim Spiegel und der Süddeutschen und bei der FAZ auch, von der Welt ganz zu schweigen, die in Renzis Italien noch kurzem Europas Erfolgsmodell gesehen hat. Einzig die Korrespondentin der Frankfurter Rundschau versuchte die Sache etwas differenzierter zu sehen und informierte die deutschen Leser darüber, dass Renzis Frontalangriff vor allem innenpolitische Hintergründe hat, ist er doch nach dem Skandal um die Etruria-Bank erheblich unter Druck geraten:

Und innenpolitisch ist Renzi gerade in Bedrängnis. Seine Regierung hat just vier Regionalbanken vor der Pleite gerettet. Dabei wurde hingenommen, dass 130.000 Kleinanleger – denen offenbar keiner was von möglichen Risiken sagten – ihre Ersparnisse verlieren, Der Zorn in der Bevölkerung ist groß – und größer, nachdem bekannt wurde, dass der Vater von Renzis Reformministerin Maria Elena Boschi Vizedirektor einer dieser Banken war. Boschi, zentrale Figur in Renzis Kabinett, überstand am Freitag ein Misstrauensvotum, weil die Opposition gespalten war.

Bei der par ordre du mufti (vulgo Renzi) verordneten Bankenrettung (ach, wie klug ist doch die automatische Korrektur! Sie wollte daraus Bandenrettung machen) blieben jedoch die Kleinanleger auf der Strecke, denen man ohne ihr Wissen hochriskante Produkte angedreht hatte. Etwa in Chiusi della Verna, unweit des toskanischen Arezzo, wo die Hälfte des Dorfes ihre Ersparnisse verloren hat, die sie in der Banca Etruria angelegt hatten. Vizepräsident der Banca Etruria war, rein, rein, zufällig der Vater der von der (SZ hochgelobten) „Reformministerin“ Elena Boschi. Sie selbst ist Aktionärin und ihr Bruder ist der Bank angestellt. Dank Renzis schnell durchgedrücktem Gesetzesdekret wurden nicht nur die Banken gerettet, sondern vor allem einige Spekulanten sehr, sehr reich gemacht, die Anteile an der Bank kauften, kurz bevor das Gesetzesdekret durchgedrückt wurde.

Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Insiderhandel. Und die 5-Sterne-Bewegung stellte einen Misstrauensantrag gegen die „Reformministerin“ Elena Boschi, die einen Interessenkonflikt groß wie das Empire-State-Building hat. Natürlich wurde der Misstrauensantrag abgelehnt. Dass der Staatsanwalt, der die Ermittlungen wegen Insiderhandel leitet, gleichzeitig einen Beratervertrag mit Renzi hat, ist natürlich nur ein kleines Detail am Rande.

(Hier für die des Italienisch mächtig sind: Marco Travaglios kurzweilige Zusammenfassung der Bandenaffäre Bankenaffäre unter dem schönen Titel „Das unvollkommene Verbrechen“)

Und weil sich die deutsche Renzi-Fankurve derzeit etwas in Bedrängnis befindet, war man glücklich darüber, dass die Financial Times vor zwei Tagen die 5-Sterne-Bewegung gelobt hat („Italy’s Five Star Movement wants to be taken seriously“), speziell Luigi di Maio, den 29jährigen Vizepräsidenten des italienischen Parlaments. Wenn sich ein derart seriöses Medium traut, dann trau‘ ich mich auch, dachte man sich bei der Süddeutschen und wagte es heute, Luigi Di Maio ein kleines Portrait zu widmen.

Meinung, 30.12.2015

Profil

Luigi Di Maio
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Bisher zeigte die italienische Fünf-Sterne-Bewegung das Gesicht eines zotteligen Wüterichs. Beppe Grillo, der Gründer dieser Anti-Establishment-Partei, ließ keine Gelegenheit für einen Tobsuchtsanfall aus. Nun ist der Meister müde und zieht sich aus der ersten Reihe zurück. Und auf einmal hat die Bewegung, die 2013 aus dem Stand als zweitstärkste Kraft ins Parlament einzog, ein glatt rasiertes Gesicht. Es gehört Luigi Di Maio, dem neuen Star der Fünf Sterne. „Verdammt, jetzt bist du der Anführer“, sagte Grillo unlängst zu ihm.

Die beiden Sternebewegten könnten unterschiedlicher kaum sein. Hier der 67 Jahre alte Ex-Komiker Grillo, der Fundamentalopposition predigt, Kritiker per Internet-Abstimmung aus der Bewegung werfen lässt und Kompromisse mit den Alt-Parteien für des Teufels hält. Dort der gelassene, dialogbereite Jurastudent Di Maio, der mit 29 Jahren stellvertretender Präsident der Abgeordnetenkammer ist und Kontakte zu den anderen Parteien pflegt.

Der Übergang drückt eine Wende der Bewegung aus. Die chaotische Gründerzeit geht zu Ende. Die Fünf Sterne werden pragmatischer. Manche liebäugeln mit der Regierungsverantwortung. „Wir sind bereit“, sagt Di Maio, dem es nie an Selbstbewusstsein fehlte. Schon am Gymnasium seines Heimatorts Pomigliano d’Arco bei Neapel zeigte der Sohn eines früheren neofaschistischen Politikers Führungskraft und setzte den Bau einer neuen Schule durch. An der Uni wurde er Studentensprecher. Seine Begeisterung für das Internet brachte ihn zur 2009 gegründeten Fünf-Sterne-Bewegung, die auf Basisdemokratie durch Online-Abstimmungen setzt.

Der Aufstieg des Formel-1-Fans Di Maio verlief rasch. 2009 wurde er zum jüngsten Abgeordneten der Republik gewählt. Dort errang der Neuling das Amt des Vizepräsidenten. Er verzichtete auf eine Dienstwohnung und zog mit Parteifreunden in eine WG. Auch das auto blu schlug er aus, die dunkle Dienstlimousine samt Blaulicht, die vielen Politikern in Rom als Machtsymbol dient. Seinen Anhängern sagte er: „Wenn ihr mich je in einem auto blu sehen solltet, dann lyncht mich.“

Im Parlament führt der Vizepräsident ein strenges Regiment. „Mister rote Karte“, wird er genannt. Wer sich danebenbenimmt, den wirft er raus. Oft trifft das Parteifreunde. In der Sache ist Di Maio jedoch konzilianter, als es vielen Fünf-Sterne-Anhängern recht ist. So will er die Euro-Zone lieber reformieren als aus ihr austreten. Dagegen teilt er die klassischen Fünf-Sterne-Forderungen wie ein Grundeinkommen für alle und viel mehr direkte Demokratie.

Hinter dem sozialdemokratischen Premier Matteo Renzi ist Di Maio der zweitbeliebteste Politiker Italiens. Manche sehen in ihm den kommenden Regierungschef. Er selbst dämpft die Erwartungen: „Viele Leute haben noch Angst vor uns. Natürlich werden wir die Dinge ändern, wenn wir gewinnen. Doch wir müssen den Menschen versichern, dass es keine gewaltsame Revolution geben wird.“

Ja, so verlaufen die Recherchewege. Über das 5-Sterne-Bashing der deutschen Korrespondenten habe ich mir schon die Finger wund geschrieben. Ob es was nützt? Sollte die Mauer der Renzi-Verehrung etwa bröckeln? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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