Mister Kwong auf Shoppingtour

Venedig. Morgens. Wenn Brugnaro noch in Mogliano schläft.

Hey. Lange nicht mehr gelästert hier. Hole ich sofort nach. Womit anfangen? Vielleicht mit den Tränen des venezianischen Bürgermeisters Luigi Brugnaro, (der im englischen Wikipedia als independent bezeichnet wird, was okay ist, wenn damit gemeint ist, dass er ausschließlich am Wohlergehen seiner Geschäfte interessiert ist). Er weinte, weil die Opposition im Stadtrat ein paar kleinliche Bedenken hatte, was seinen Vorschlag betraf, ein 44 Hektar großes Grundstück in Marghera einem chinesischen Investor zu verkaufen: Mister Kwong ist gerade in Venedig auf Shopping-Tour, hat schon zwei Palazzi gekauft, die er in Hotels verwandeln wird und möchte in Marghera nicht nur einen Sportpalast für 15 000 Zuschauer, sondern auch ein 700-Zimmer-Hotel, ein Einkaufszentrum, eine Luxus-Seniorenresidenz, ein Spielkasino, einen Jachtclub und den einen oder anderen Büroturm errichten lassen. Und er kauft natürlich nur, wenn ihm der Stadtrat das Ganze absegnet, einschließlich der Änderung im Flächennutzungsplan, in dem das Grundstück als „städtische Grünfläche“ ausgewiesen ist.

Und jetzt dürfen Sie drei Mal raten, wem dieses Grundstück gehört. Dem Papst? Der Stadt Venedig? Brugnaro? Bingo!

Luigi Brugnaro hat diese 44 Hektar im Jahr 2006 dem italienischen Staat abgekauft – für 5 (fünf) Millionen Euro.  Aus reinem Altruismus natürlich, um zu verhindern, dass dieses Brachland in die Hände römischer oder gar Mailänder Spekulanten fiele.

Wie voraussehend! Denn jetzt bietet ihm Mister Kwong 200 bis 360 Millionen. So viel hätten Mailänder oder römische Spekulanten gar nicht gehabt. Kein schlechter Deal für Brugnaro. Dafür lohnt es sich, ein paar Tränen abzudrücken.

Als man ihn des Interessenkonflikts beschuldigte, hielt Brugnaro mit gebrochener Stimme eine nicht enden wollende Verteidigungsrede. Es ging wie üblich um das „Machen“, il fare, ein Wort, das in Italien immer benutzt wird, wenn es um Schweinereien geht, also das il fare tapferer Unternehmer gegen die Blockade der Nichtstuer und Bedenkenträger (gewöhnlich: i communisti, und weil es letztere nicht mehr gibt, jetzt: i grillini) werden, also in diesem Fall ein (hoch verseuchtes) Grundstück zu verkaufen und dabei einen Reibach von 195 Millionen zu machen.

Der Moment, als er auf die Tränendrüse drückte wird garantiert ein Youtube-Hit:

… schließlich gehe es ihm nur um das Wohl Venedigs, er selbst opfere sich ja schon seit Jahrzehnten als Mäzen seines Basketball-Vereins Reyer auf, dieser Sportpalast sei nichts als ein Geschenk für die Stadt, für die Jugend, für alle Fans von Reyer, seinem Club, der 74 Mal den Pokal holte, und der in Ermangelung eines Sportpalastes woanders spielen müsste. An dieser Stelle brach ihm die Stimme völlig, weshalb Brugnaro den Reyer-Pokal wie ein „Totem“ auf seinen Platz im Ratssaal knallte und den Saal verließ, wie Gian Antonio Stella im Corriere della Sera in seinem sehr lustigen Artikel schrieb. 

Am Ende wurde natürlich alles abgesegnet. Wie immer in Venedig.

Ein Kommentar

  1. „Dafür lohnt es sich, ein paar Tränen abzudrücken.“
    Habe kürzlich in einem Magazin gelesen, dass Tränen, richtig eingesetzt, ihren Zweck – den jeweiligen Gegenüber zu besänftigen oder zu umgarnen (je nach Bedarf) – selten verfehlen. Früher konnte dies jede Ehefrau bestätigen, nachdem sie in Begleitung ihres Mannes, und mit Tränen in den Augen, sehnsüchtig die Auslage von Tiffany in der 5th-Avenue betrachtet hatte. Im Zuge der Gleichberechtigung darf es nicht verwundern, wenn die Männerwelt ebenfalls zu diesem „hinterhältigen Trick“ – soweit zielgerichtet inszeniert – greift.
    Mit grösstem Respekt
    Kurt R. Noll

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