Madrid

Das muss ich jetzt mal loswerden: Letzte Woche war ich mit „Die Gesichter der Toten“ in Madrid eingeladen, auf dem Festival „Getafe Negro“- das den schönen Untertitel „Festival des politischen Romans“ trägt.

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Also keine Kreidezeichnungen von Leichen auf dem Boden, Absperrband oder Sherlock-Holmes-Mützen, sondern gesellschaftliche Realität. Was in Ländern wie Spanien und Italien, wo Kriminalliteratur schon lange als ein Instrument gesellschaftlicher Aufklärung betrachtet wird, völlig normal ist. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, wenn man in Deutschland ein Festival veranstalten würde, das dem „politischen Roman“ gewidmet wäre, bin aber gescheitert. Hier gilt das Dogma: Krimi=witzig=Unterhaltung.

Organisator des Festivals war der unfassbar produktive und preisgekrönte Schriftsteller Lorenzo Silva, den ich vor Jahren in Barcelona kennengelernt habe, als ich dort die spanische Übersetzung meines Buchs „Mafia“ vorgestellt habe. Einer von Lorenzo Silvas Romanen wurde ins Deutsche übersetzt, wobei er sich darüber wunderte, als die Lektorin nicht nur auf einem „griffigerem“ Titel bestand: „Tödlicher Strand“ – sondern auch auf einem Untertitel: „Ein Mallorca-Roman“ – was er bizarr fand, schließlich beschreibe sein Roman eine gesellschaftliche Realität, die für ganz Spanien gültig sei und keineswegs nur für Mallorca. Aber er ahnte nichts von der Existenz der deutschen Regionalkrimi-Kiste … Und wohl auch nicht, dass es in Deutschland in Besprechungen als Lob gilt, dass „Lorenzo Silva einen Auftakt zu einer Krimiserie hingelegt hat, die völlig frei von politischem Ballast ist.“ Na, Gott sei Dank.

Tja. Ich verstehe das alles nicht. Was ist denn Politik? Doch nicht nur die Tagesschau oder der niedersächsische Landtag, sondern erst einmal: Menschen. Die irgendetwas tun. Vielleicht etwas Niederträchtiges, vielleicht etwas Grandioses, was auch immer, Politik, das sind wir alle, hey. Wenn man über Verbrechen schreibt, muss es doch nicht immer lustig sein. Oder die ewig gleiche Nummer von den Verbrechern, die angeblich die interessanteren Charaktere seien. Finde ich nicht. Mafiosi beispielsweise sind keine großer Herausforderung für einen Autor, denn die sind ziemlich schlicht. Viel interessanter finde ich die scheinbar Guten. Die mit der moralischen Fallhöhe.

Natürlich will ich als Autor Bücher schreiben, die spannend sind – die man nicht aus der Hand legen will, aber Literatur muss doch mehr sein als eine Tüte Popcorn auf dem Sofa. Oder?

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