Das (vorläufige) Ende der Mafiaprinzessin

Heute wurde Cinzia Mangano verhaftet – Tochter des Mafiabosses Vittorio Mangano, dem legendären „Stallmeister“ Berlusconis (über den ich in diesem Blog auch hier und hier und hier berichtet habe) und der ich nicht nur ein Kapitel meines Buches „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ gewidmet habe, sondern auch einen Film, den ich zusammen mit Luzia Braun für das deutsche Fernsehen drehte: „First Ladies der Mafia“. Als mein Buch in Italien unter dem Titel „Santa Mafia“ erschien, wollte mich auch Cinzia Mangano verklagen – bis ihr aus berufenem Mund davon abgeraten wurde.

Mich hat schon damals der Auftritt von Cinzia Mangano beeindruckt, sie betrieb sehr erfolgreich die Öffentlichkeitsarbeit der Mangano-Familie. Sie klagten über die Schikanen, denen sie beim Gefängnisbesuch ausgesetzt waren. Sie klagten über das Justizsystem, das sich auf die Aussagen abtrünniger Mafiosi stütze, sie klagten über die Gerechtigkeit. Sie waren Opfer:

„Aber wo sind die Werte des Lebens geblieben, die Gerechtigkeit? Das ist ein Regime. Ich sehe oft diesen Film »Schindlers Liste«. Er bringt mich zum Weinen. Aber immer wenn ich den Videorekorder ausstelle, fühle ich mich wieder gestärkt. Denn da gibt es viele Dinge, die ähnlich sind wie in unserer Situation, wie auch in anderen Familien. Die gleichen Gefühle, die gleichen Qualen, so als gäbe es keinen Ausweg, weil da eine Übermacht ist. Aber die Justiz darf so nicht sein. Sie darf nicht so sein. Wenn es jemandem schlecht geht, hat er doch wenigstens das Recht, dass auf seine Gesundheit geachtet wird. Das ist doch normal. Selbst für einen Hund. Die Häftlinge in der Hochsicherheitshaft sind die Juden des Zweiten Weltkriegs. Da gibt es keine Unterschiede. Die Juden wurden umgebracht, und die Häftlinge erwartet ein langsamer Tod.“

Cinzia Mangano war die wortgewaltigste. Und die zuversichtlichste. Die ideale Botschafterin des Planeten Mafia. Cinzia war überzeugt von dem, was sie sagte. Sie heuchelte nicht, sie log nicht, sie war grundehrlich. Sie war in der Mafia aufgewachsen, sie teilte die Welt in drinnen und draußen ein, so wie ein Mafioso, der, wenn er einen Mord gegen die Welt draußen begeht, keine Schuldgefühle hat. Cinzia war eine Soldatin im Krieg. Der Vater konnte stolz auf seine Frauen sein. Sie waren um keine Antwort verlegen. Nicht mal, als wir über das Attentat auf Falcone und Borsellino sprachen.

„Als die Attentate 1992 geschahen, als Falcone starb, da sagte ein mir sehr vertrauter Mensch: Das ist der Anfang vom Ende. Denn um so etwas zu tun, muss man so tief gesunken sein, dass man keine Chance mehr sieht. Denn es hatte Männer gegeben, die die Mafia als ein Ideal des Fortschritts verkörpert hatten, die Mafia war einmal ein Zukunftstraum gewesen, der Inbegriff dessen, etwas zu schaffen – und dann wurde nur verbrannte Erde hinterlassen. Sie haben alles zerstört, alles.“

Cinzias Bemerkung zur Bedeutung des Falcone-Attentats war vielleicht die denkwürdigste Bemerkung dieser Mafiaprinzessin: Sie bedauerte nicht Falcones Tod. Sie bedauerte die Konsequenzen, die sich daraus für die Mafia ergaben.

Cinzia Mangano wurde zusammen mit ihrem Mann verhaftet – einer der jungen Männer, die, wie man auf dem Polizeivideo sehen kann, bei der Beerdigung ihres Vaters den Sarg auf seinen Schultern trugen. Sie lebte schon seit langem in Mailand und wird von den Ermittlern als Kopf der mafiosen Zelle betrachtet – eines  mafiosen „Unternehmertums“, das nach außen aus der Vermittlung von Transport- Träger- und Reinigungsdiensten bestand , im Wesentlichen aber Geldwäsche und Schwarzarbeit betrieb. Ein „Unternehmen“, das sein Geschäft ohne jede physische Gewalt ausüben konnte.

Es reichte, wenn die von ihnen erpressten und bedrohten Geschäftsleute Cinzia Manganos Namen hörten: „Ich habe es nicht nötig, mich vorzustellen“, sagte sie am Telefon.

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