Heute war ich mit meiner Freundin Patrizia bei La Perla. Ich hatte im Schaufenster ein lila Kleid gesehen, ein sehr schön geschnittenes Etuikleid in einem kräftigen, fast schon elektrisch aufgeladenem Lila, sehr apart. Zumal als Blondine, als überzeugte, falsche, they-never-come-back-Blondine. Lila und Blond, das ist so wie Schwarz und Weiß oder wie Italien und Tomaten, eine Blondine ohne Lila ist eigentlich gar nicht denkbar.
Die Verkäuferin legte das lila Kleid so ehrfürchtig auf die Verkaufstheke, als handele es sich nicht um ein lila Kleid, sondern um ein Altartuch. Sie machte einen Schritt zurück, versank kurz im Anblick des Kleides und sagte: Lila ist in diesem Jahr sehr modisch. Man kommt im Grunde gar nicht ohne aus!
Es ist ja eher ein schönes kräftiges Violett, sagte Patrizia, denn sie ist nicht nur Ehefrau eines Polizeikommandanten und legt in dieser Eigenschaft Wert auf eine gewisse Genauigkeit, sondern sie ist auch Apulierin. Süditalienerinnen sind eine etwas konzentrierte Ausgabe von Italienerin und lieben kräftige Farben. Rot, orange, türkis. Und, warum auch nicht, in diesem Jahr auch lila.
Ich zog das Kleid an. Es war kein bad hair day und das Licht in der Umkleidekabine war auch günstig, aber dennoch bekam ich Zweifel. Macht die Farbe etwa blass? Vielleicht war das Licht in der Umkleidekabine doch nicht so günstig. Ich schob den Vorhang zur Seite, ging zu dem Spiegel im Verkaufsraum und stellte fest: Lila macht mehr als blass. Ich sah aus wie jemand, der eine Woche lang vermisst und dann tot an ein Flussufer gespült worden war.
Die Frau des Kommandanten blickte mich so erschrocken an, als sei ihr der Leibhaftige erschienen. Sie zog den Kopf ein und hielt die Hände abwehrend vor das Gesicht. Sie war kurz davor, ein Kreuz zu schlagen und sagte: Nein! Und ich sagte auch: Nein! Nur die Verkäuferin sagte: Das liegt an Ihrem Lippenstift. Ein helles Rosa, und schon sieht das Kleid ganz anders aus.
Ich will aber keinen rosa Lippenstift. Also zog ich das lila Kleid wieder aus. Und ließ mir ein schwarzes bringen, was mir auch ganz ausgezeichnet stand, weshalb ich es unverzüglich kaufen musste.
Als wir über den Campo San Luca wieder nach Hause gingen, war Patrizia immer noch ganz mitgenommen von dem Anblick des violetten Kleides. So eine grauenvolle Farbe! Wie kann man nur auf so eine Idee kommen? Und erst als ich am Campo Sant’Angelo vor der kleinen Kapelle stand, an der das Schild Pane per i Poveri hängt, fiel mir wieder ein, dass Pfarrer bei Beerdigungen violette Schärpen tragen. Und zur Beichte. Violett ist die Farbe des Leidens und des Sterbens. Es ist die Farbe des Gründonnerstags, der Einsetzung des Abendmals, des Karfreitags, der Kreuzigung Christi, es ist die Farbe der Buße. Der Passion. Es gibt Italiener, die nehmen keine 500-Euro-Scheine an, weil die wegen ihrer Farbe verflucht sind.
Als Modefarbe hat Lila in Italien keine Chance.