Behaltet ihn!

Ich schäme mich etwas für die Deutschen. Sonst hieß es immer nur: Ah, la Germania, und ich konnte etwas von der Pünktlichkeit der deutschen Eisenbahn erzählen – und jetzt ist alles voll mit Zumwinkel und der Lichtenstein-Connection. Nicht, dass Ihr jetzt in Deutschland auf die Idee kommt, den Zumwinkel zu uns nach Italien zu schicken, weil Ihr glaubt, dass ihm hier eine große parlamentarische Karriere bevorstünde!

2 Kommentare

  1. Lieber Davide,

    danke für Deine erhellenden Zeilen – ich bin völlig Deiner Meinung; Wäre die Siemens-oder VW-Affäre in Italien passiert, hätte es wieder „Ah. l’Italia“ geheißen – indes kann man an diesen beiden Beispielen sehen, das die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität und Wirtschaftskriminalität fließend sind. Unbekannt ist in Deutschland auch die größere Autonomie der italienischen Justiz – die auch vonnöten ist. Mangels Bürgersinn bei den Politiker, oder sollten wir sagen: Moralbewusstsein? Cosi fan tutti, wie unser Freund Mastella sagte. Was in Italien fehlt, wie Grillos Erfolg beweist, sind Bürgerinitiativen -die nicht von Parteiinteressen kontrolliert werden.

    cordialmente, Petra

  2. Ich bin Italiener und lebe in Deutschland seit 1992. Mein Eindruck: In den letzten 15 Jahren hat die „weiße Wirtschaftskriminalität“ mit der „Freiheit“ (und Arroganz) der „Wirtschaft“ zugenommen. Dies betrifft nicht nur Deutschland.
    Die kulturelle Akzeptanz für diese Kriminalität ist gestiegen. Geld bedeutet Status. Wer sich gegen zu hohe Steuer und „subventionierte“ Dienstleistungen beklagt, findet mehr Verständnis für diejenigen, die sich dagegen wehren. Auch Steuerberatern und Juristen sind für ihre Tipps äußerst gefragt: Wie kann ich weniger Steuer bezahlen?
    Das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft ist in den Jahren viel enger geworden. Politiker und Vorstandsvorsitzenden treffen sich bei PR-Events. Man wechselt von der Politik in die Wirtschaft und umgekehrt.
    In diesem Kontext fühlten sich Steuersünder in Deutschland sicherer. Was hat sich plötzlich verändert? Warum kommt ein solcher Skandal erst jetzt, obwohl vieles seit Jahren bekannt ist? Warum wurde es nicht früher eingegriffen? Wird dieser Skandal dazu dienen, dass der fördernde Kontext der weißen Kriminalität in seiner Struktur verändert wird?

    Sicher ist die Politik der Wirtschaft gegenüber misstrauischer geworden. Einerseits wachst die zivilgesellschaftliche Stimmung gegen die soziale Ungerechtigkeit und die wirtschaftliche Arroganz. Andererseits zeigen die drohende Wirtschaftsrezession oder die Konzentration auf dem Energiemarkt in Deutschland das Sein hinter dem Schein neoliberaler Versprechen – und dies ist alles anderes als haltbar und nachhaltig.

    Zum Schluss:
    – In Italien finde ich die Autonomie der Justiz ausgeprägter als in Deutschland. These: In Deutschland ist die Korruption noch höher, als angenommen wird. Aber die Justiz greift nicht so sehr ein, wie in Italien.
    – In Deutschland treten Personen sofort zurück, wenn sie Probleme mit der Justiz bekommen. Dies deutet auf eine starke kollektive Moral hin. In Italien würde ich von „Anomie“ sprechen.

Schreibe einen Kommentar zu Davide Brocchi Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert