So ist die Welt nun mal. Sagte der Boss.

Petra Reski | Mafia. 100 Seiten | Reclam | October 2018

Fiel mir ein, nachdem wieder 11 Mitglieder des Clans Rinzivillo in Italien und Deutschland verhaftet wurden, vier davon in Köln und Mannheim: Als im Herbst 2017 in Italien 37 Mafiosi des Clans Rinzivillo verhaftet wurden, befanden sich zwei Clanmitglieder in Deutschland, wo sie in Köln und Karlsruhe nicht nur Drogengeschäfte, sondern auch Restaurants betrieben und sich für Bauprojekte und Feinkostgeschäfte interessierten – in schönster Eintracht mit den Kalabriern, besonders mit dem in das Duisburger Mafiamassaker verwickelten Clan Strangio aus San Luca.

Interessant an der Verhaftung der beiden Mafiosi in Deutschland ist das, was die italienischen Ermittlungen über die Geschäfte des Clans Rinzivillo in Deutschland ergaben: So soll der Clanchef Salvatore Rinzivillo seine Interessen nicht nur in Städten wie Köln, Stuttgart und Karlsruhe gepflegt haben, wo er laut der italienischen Ermittler sein Kapital investierte, sondern auch in Amerika und sogar im Kongo.

Für seine Geschäfte in Deutschland habe er sich eines Mittelsmannes bedient: ein Italiener, der in Deutschland aufgewachsen ist und der bald das uneingeschränkte Vertrauen des Bosses genoss – so sehr, dass der Boss ihn zum Firmpaten seines Sohnes machte, in Sizilien ein Ausdruck höchster Wertschätzung.

Vordergründig ging es um den florierenden Kokainhandel und um die Ausweitung des von den Clans der Cosa Nostra kontrollierten Fischhandels nach Deutschland – der Fischhandel ist jedoch lediglich die Kulisse für ein viel ernsteres und bedeutenderes Geschäft: die Geldwäsche. Ein Geschäft, an dem der Clan Rinzivillo weitere befreundete sizilianische Clans beteiligt, damit sich die Sache lohnt – darunter auch Verwandte des seit Jahrzehnten untergetauchten Boss der Bosse, Matteo Messina Denaro.

Der in Deutschland lebende Vertrauensmann des Bosses nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, weil dieser, wie der Boss erzählt, über wertvolle Kontakte zu denjenigen verfüge, „die in der Welt das Sagen haben“, zu den Freimaurern.

Hilfreich beim Eintritt in diese Welt sei ein deutscher Rechtsanwalt aus Köln gewesen, den Rinzivillos Vertrauensmann so umworben habe, dass er keine freie Minute mehr gehabt habe. Und natürlich habe der Zutritt zu diesem exklusiven Freimaurer-Zirkel seinen Preis: 50 Millionen Euro. Die müsse der Boss zahlen: „Es ist praktisch ein Eintrittsgeld“, sagt der Vertrauensmann, „eine Art Investition, praktisch ein Willkommensgruß.“

In Italien ist die enge Verbindung zwischen Freimaurer-Logen und elitärer Mafia-Zirkel schon lange bekannt – und kontinuierlich Gegenstand von Ermittlungen. In Deutschland hingegen drangen dazu bislang wenig Erkenntnisse an die Öffentlichkeit. Um so interessanter lesen sich die Ermittlungsakten rund um die extrem ambitionierten Geschäfte der sizilianischen Clans rund um die Rinzivillos: Da geht es um große Investitionen in das Bauprojekt Stuttgart 21, um Geschäfte mit Outlets und Supermarktketten, um sechs Millionen Euro, die in eine in Deutschland ansässige Firma für Medizintechnik investiert werden sollen – das Ganze natürlich als Vorwand für Geldwäsche.

Wobei es bei den Bauprojekten extrem hilfreich ist, dass in Deutschland, anders als in Italien bei den Bauunternehmern keine Antimafia-Kontrollen durchgeführt werden, also Unternehmer, die in Italien bereits Vorstrafen wegen Begünstigung der Mafia haben, ohne weiteres ungestört arbeiten können.

In Italien besteht bei jeder Präfektur ein Verzeichnis einschlägiger Lieferanten, Dienstleister und Bauunternehmer, die nachweislich keinen Unterwanderungsversuchen der Mafia ausgesetzt sind. Diese Antimafia-Informationen werden regelmäßig überprüft – und falls sie negativ ausfallen, wird das Unternehmen aus diesem Antimafia-Verzeichnis gestrichen.

Und geht dann, wie im Fall des Rinzivillo-Clans nach Deutschland, wo es weder ein solches Verzeichnis, noch die Sensibilität für von der Mafia unterwanderte Bauunternehmen gibt.

Angesichts solch rosiger Aussichten ist verständlich, dass der unternehmerische Ehrgeiz des Cosa-Nostra-Clans kaum mehr zu bremsen war und sich, zwecks Geldwäsche, auf unternehmerische Höhenflüge begab: Der in Deutschland ansässige Vertrauensmann, stiller Teilhaber einer deutschen Firma, die auf den Namen eines deutschen Strohmanns angemeldet ist, machte sich auf die Suche nach einem Partner, um mit ihm ein Joint-Venture aufzubauen. Die beiden Partnerunternehmen müssen gesund wirken, die Geschäftsidee überzeugend – das Kapital, das für die Banken als Pfand eingesetzt wird, ist kein Problem: Es kommt aus Italien oder von einer Bank in London – Geld, das mit Drogen verdient wurde und darauf wartet, gewaschen zu werden.

Wenn eine Bank keine Zweifel an der Herkunft des Geldes anmeldet, kann die Mafia bei diesen Joint-Venture-Geschäften ihr schmutziges Geld als „Sicherheitsgarantie“ einsetzen, für sie einen Kredit erhält. Wenn etwas schief geht, hat die Bank immer noch die Sicherheitsgarantie (und damit das schmutzige Geld) in der Hand. Naturgemäß gehen solche Geschäfte oft schief.

Und die Banken waschen auf diese Weise dieses Geld für die Mafia – denn derjenige, der den Kredit bekommen hat, muss den ja nicht zurückzahlen, er ist bereits mit der Sicherheitsgarantie vergolten. Bei jedem schiefgegangenen Geschäft, wird aus schmutzigem Geld sauberes.

„So ist die Gesellschaft nun einmal. Sie kommt korrupt zur Welt und stirbt korrupt. Niemand kann diese Welt ändern“, sagte der Boss am Telefon.

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