Der vermeintliche Türöffner

Über die Umtriebe von Francesco Sbano, dem „Mafia-Experten“ der anderen Art, habe ich in diesem Blog schon öfter geschrieben. Sbano war nicht nur geschätzter Mitarbeiter des SPIEGEL, von Spiegel-Online und dem BR, sondern in Berlin auch zu Gast im Haus der Kulturen, was die Antimafia-Organisation Mafia? Nein danke! dazu veranlasste, einen Protestbrief zu verfassen.

Heute hat die Taz über Sbanos Verurteilung in Reggio Calabria berichtet:

ROM taz | „Saugefährlich“ sei das, was er tue – als Mafiakenner, der ganz nah dran ist: So inszenierte sich Francesco Sbano im Spiegel-Online-Interview, aber auch sonst immer gern als einer, der genau Bescheid weiß über die in Kalabrien aktive ‚Ndrangheta und ihre Bosse.

In Deutschland hat der 53-jährige Kalabrese angeblich 150.000 Stück seiner drei CDs mit Songs der ‚Ndrangheta verkauft – Liedgut, in denen sich die Bande ihrer Mordtaten brüstet. Vor allem aber fungierte Sbano als Fotograf und „Türöffner“ für Spiegel-Autoren. In deren Texten, die auch auf Spiegel Online erschienen, wurde er als Vermittler zitiert. Auch der Bayerische Rundfunk nutzte seine Dienste. Mehr oder minder naiven deutschen Journalisten nämlich vermittelt Sbano gern mehr oder minder pittoreske ‚Ndrangheta-Bosse zum Interview, in dem sie richtig auspacken, ganz so, als gebe es in ihrem Verein kein Schweigegebot – oder als sei es kurz mal ausgehebelt, wenn Herr Sbano hilft.

Nicht umsonst trägt ein Buch Sbanos den widersinnigen Titel: „Die Ehre des Schweigens. Ein Boss packt aus“. Dabei heißt einer der Songs, die Sbano auf CD veröffentlichte, eben „Omertà“ , und in einem anderen Lied erfahren wir: „Es gibt keine Gnade für den, der verraten hat“. Und irgendwie hat der Mafiaexperte sich wohl anstecken lassen von dem Ton, der bei jenen bösen Burschen herrscht, die er so gut zu kennen behauptet. Am 28. Februar 2012 (die taz berichtete) jedenfalls tauchte er im Anti-Mafia-Museum von Reggio Calabria auf, wo gerade eine Schulklasse erfahren wollte, was die Bosse ihrer Region so treiben. Experte Sbano hätte da etwas beitragen können, doch ihn trieben andere Sorgen um.

„Ich mache euch fertig, euch und diese Hure!“, brüllte der Ausnahme-Investigativ-Journalist. Ungerechtfertigt habe das Museum seine Songs auf Veranstaltungen genutzt, ohne für die Rechte zu zahlen. Doch offenkundig saß das Problem tiefer: „Diese Hure“ – die Journalistin Francesca Viscone – hatte es sich erlaubt, Sbanos Werk in Zweifel zu ziehen, hatte die Frage gestellt, ob er nicht ganz leise dabei sei, die ‚Ndrangheta zu verherrlichen: als wahren Ausdruck kalabresischer Kultur und Lebensart.

Und dann lobte er sich, nach Aussagen aller Zeugen, auch noch dafür, was für ein Star er dagegen in Deutschland sei. Die Kinder im Hof des Anti-Mafia-Museums dürften diesem Auftritt eines Möchtegernbosses wohl einigermaßen fassungslos zugeschaut haben. Sbano trug sein immerhin anderthalb Stunden langer Wutanfall („du weißt nicht, wen du vor dir hast!“) nun am 5. Oktober die Verurteilung zu 40 Tagen Gefängnis ein, wegen Verleumdung.

In Italien konnte man die Faszination, die dieser Experte auf die Deutschen ausübte, nie nachvollziehen. Mal schauen, wie es der BR (der gegenüber der taz betont, Sbano nur einmal beschäftigt zu haben) und vor allem der Spiegel , der Sbano mehrfach einsetzte, zuletzt 2014, seitdem aber keinen Kontakt mehr zu ihm habe, wie ein Sprecher sagt – wie es all die deutschen Medien eben, die ihm bisher ein Forum geboten haben, in Zukunft mit dem Kenner und seinen schaurig-schönen Bossen in Kapuzenshirts halten.

2 Kommentare

  1. Gelungene Aufdeckung der Zusammenhänge.

    Hier mein Kommentar Spiegel Online
    http://www.spiegel.de/forum/kultur/petra-reskis-neues-werk-spiderwoman-auf-mafia-jagd-thread-22182-1.html#postbit_53768947
    Joachim Petrick 5.3.2017, 13:53
    6. Gelten in Deutschland Mafiosi, anders als in Itaien, als ehrenwrerte Person?
    „“Was Spider betrifft, bin ich bestechlich.“ Damit aber ist der Anspruch auf moralische Integrität dahin, zumindest aus journalistischer Sicht.“ Damit aber ist der Anspruch auf moralische Integrität dahin, zumindest aus journalistischer Sicht.“

    Mein Eindruck ist, Andreas Ulrich will eine aus der Not geboren kokette „So als ob Bestechlichkeit“, angesichts deutscher Gerichtskammern in Leipzig, Hamburg zu Presse- und Persönlichkeitsrecht, die, anders als in Italien, nicht einmal den Unterschied zwischen Gerichts- und Verdachtsberichterstattung gelten lassen in keinen faktischen Zusammenhang stellen, weshalb er 2010 so wenig wie Jakob Augstein 2017 findet, dass dieser deutsche Skandal, der die Pressefreiheit massiv einschränkt, weil organisierte Kriminialität wie die Mafia, anders als Terrororganisationen, man lese und staune, nicht als kriminelle Vereingung gelten, auf die gesellschaftspolitische Agenda gehört.
    Kann sich hierzulande jedermann, anders als in Italien, als Mafioso outen, ohne auch nur unter einen Anfangsverdacht krimineller Taten zu geraten, bliebe er de jure unantastbar eine ehrenwerte Person? ich fürchte „Ja“.
    Vielleicht auch, weil der Gründungsmythos der Mafia als geheime Hilfsorganisatoin des Vatikanstaates zur insgeheim verdeckten Vermögenssicherung von Immobilien, Grund und Boden auf Sizilien und andernorts in die Gründerzeiten des italienischen Staates um das Jahr 1859 zurückreicht

    Trotzdem wurde Petra Reski 2017 wg. ihrer Gerichtsberichterstattung „, wie sie erläutert, „Die Bosse mögen’s deutsch“ “ in der Wochenzeitung Freitag Ausgabe 11/2016 mit einer vollstreckten Unterlassungsklage in Höhe von 5000 € belegt, weil Sie wg. einer anderen Leipziger Gerichtssache einen dort angeführten Namen in ihrem Beitrag mit Klarnamen erwähnt.
    https://www.freitag.de/autoren/ed2murrow/reski-augstein-und-die-flucht-nach-vorn#1491326003381290

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