19. Juli 1992

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Hier auf dem Bild (ja, liebe Fotofreaks, Ihr müsst jetzt stark sein: nichts als iPhone-Knipserei): Mitglieder der Antimafia-Bewegung Agende rosse, die vor dem Justizpalast von Palermo hinter der Absperrung stehen und „Die Mafia raus aus dem Staat“ brüllen, während Minister und andere hohe Staatsbeamte wieder in ihre gepanzerten Limousinen steigen – nach dem Festakt, mit dem man der Ermordung des Staatsanwalts Paolo Borsellino und seiner fünf Leibwächter gedachte.

Gestern, am 19. Juli jährte sich in Palermo zum 23. Mal ein Attentat, dessen Logistik zwar bekannt ist, die Hintergründe aber trotz jahrzehntelanger und vor kurzem wieder aufgerollter Prozesse bis heute nicht aufgeklärt sind. Auftraggeber und Handlanger laufen bis heute frei herum, insofern sie nicht gnädigerweise bereits verstorben sind – wie etwa der Polizeichef und Geheimdienstagent Arnaldo La Barbera, der im höheren Auftrag dafür sorgte, dass falsche Mafiaaussteiger konstruiert wurden, die sich der Mittäterschaft am Attentat bezichtigten.

Wer von staatlicher Seite für diese enorme Irreführung  verantwortlich ist, wissen die Italiener bis heute nicht. Ein paar Hintergründe dazu auch hier und hier. Bekannt ist nur, dass die beiden Attentate, gegen Borsellino und gegen seinen Freund Giovanni Falcone, der 57 Tage zuvor ermordet wurde – nicht irgendwelche Mafia-Attentate waren, sondern DIE Mafia-Verbrechen, die Italiens politische Geschicke bis heute bestimmen. Und deshalb kann der Mut und die Bestimmtheit, mit der Salvatore Borsellino, der Bruder des ermordeten Staatsanwalts, weiter für Gerechtigkeit kämpft, gar nicht genug gewürdigt werden.

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Dies um so mehr, als sich in diesen Tagen in Palermo wieder mal zeigte, dass sich nichts geändert hat: Lucia Borsellino, Tochter von Paolo Borsellino und bis vor kurzem in der sizilianischen Regionalregierung zuständig für das Gesundheitswesen,  solle „um die Ecke gebracht werden wie ihr Vater“ – habe Matteo Tutino, der inzwischen wegen Betrugs inhaftierte plastische Chirurg und Leibarzt des Regionalpräsidenten Renato Crocetta in einem abgehörten Telefonats mit Crocetta (PD)  laut Espresso gesagt – und Crocetta, seinerseits enger Freund von Tutino, habe nicht etwa protestiert, sondern geschwiegen.

Danach kam es zu großem Hin und Her, die Staatsanwaltschaft Palermo bestritt die Existenz diesesr Telefonmitschnitts, der Espresso bestätigte sie, Crocetta weinte (erst), trat dann ein bisschen zurück, verabschiedete sich aber schnell wieder von diesem kühnen Gedanken und widersprach der Staatsanwaltschaft, indem er sich an die Existenz des Telefonats zu erinnern glaubte, nicht aber, daran teilgenommen zu haben.

Beim Festakt für seinen ermordeten Vater hielt Manfredi Borsellino eine bewegende Rede, in deren Verlauf er immer wieder in Tränen ausbrach – und am Ende vom Staatspräsidenten Sergio Mattarella umarmt wurde.

Ja, an Inspiration fehlt es hier nicht, in Palermo.

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