Alternativlos.

Und jetzt auch noch die Reski zu Griechenland. Ja, liebe Freunde dieses Blogs, da müsst Ihr jetzt durch! Ich habe mich bislang bis auf ein kleines Post zurückgehalten. Aber jetzt muss ich mal kurz was loswerden, was mich schon seit Wochen umtreibt: Das Griechen-Bashing erinnert mich unangenehm an das Beppe-Grillo-Fünfsterne-Bewegung-Bashing, über das ich mir in diesem Blog schon völlig folgenlos die Finger wund geschrieben habe.

Das mediale Griechen-Bashing ist ja inzwischen derart salonfähig geworden, dass es niemand mehr bemerkt. Obwohl, ein paar schon. Niggemeier zum Beispiel. Oder Harald Staun, der sich in der FAS gewundert hat:

Es fällt nicht schwer, in diesen hocherhitzten Tagen, das Versagen der deutschen Medien zu diagnostizieren; es reicht, eine beliebige Nachrichtensendung einzuschalten. Was sich in der Berichterstattung über die Eurokrise offenbart, ist ein Verhalten, das sich jedoch mit den üblichen Begriffen der Medienschelte nicht beschreiben lässt: Was sich artikuliert, ist nicht einfach die Manifestation einer politischen Tendenz (die gibt es auch) oder gar eine ideologische Agenda. Was man mitansehen muss, ist nicht nur die nahezu komplette Abwesenheit von Kritik, sondern ein Journalismus, der die Ziele der herrschenden Politik bereits vollständig verinnerlicht hat. Es gibt kaum noch ein Außen in dieser Berichterstattung; die Unumstößlichkeit der politischen Ordnung ist ihr Naturgesetz. Der einzige Dissens, den sie noch kennt, ist eine Uneinigkeit über die Frage, wie man ein Land, welches diese Ordnung in Frage stellt, wieder auf Kurs bringt.

Griechenland ist nur dann gut, solange es sich so benimmt, wie es sich die Deutschen in ihren Retsina-Moussaka-Santorin-Träumen vorstellen: die griechische Fiktion also, schrieb Claudius Seidl in der FAZ. Auch von Italien wird nichts anderes als die italienische Fiktion erwartet, seit Jahrzehnten arbeiten deutsche Korrespondenten daran, das Märchen eines Landes zu erhalten, das zwar einerseits hochverschuldet ist und von der Mafia aufgefressen wird, andererseits aber tapfere Linke  Sozialdemokraten Opportunisten PD-Politiker hervorgebracht hat, die jahrzehntelang erfolglos aber unverdrossen gegen den bösen, bösen B. und damit auch gegen die Mafia gekämpft haben – und jetzt Gott sei Dank wieder am Schalter der Macht sitzen: Ist er nicht süß, dieser kleine Mr. Bean? Dass Mr. Bean mit dem bösen, bösen B. kungelt – wie seine Partei seit Jahrzehnten, und die PD mit der Mafia genauso eng verbandelt ist wie Berlusconis Partei samt ihrer Klone, Renzi in Italien überdies nichts außer seinen Versprechen verschrottet hat, kommt in Deutschland nicht an.

In Italien versickern unendlich viele europäische Fördergelder – oder besser: Sie fließen direkt in die Taschen der Mafia – aber der einzige, der das jemals ausgesprochen hat, vor dem europäischen Parlament in Brüssel, war natürlich nicht B., aber auch nicht Renzi, nicht Letta, nicht Monti, nicht der von den deutschen Medien hochgelobte ehemalige Staatspräsident Napolitano, sondern der „Krawallpopulist“, „Fundamentaloppositionelle“ und „Clown“ Beppe Grillo. Und nach ein paar Klicks fiel mir auch noch diese Perle in den Schoß, gefunden in der SZ, als sie zähneknirschend verkünden musste, dass die Fünfsterne-Bewegung bei den italienischen Kommunalwahlen im Frühjahr zweitstärkste Partei wurde, was die SZ in ihrer Vasallentreue zum italienischen Polit-Establishment aber nicht irritierte :

Wohltuend hob sich da Premier Renzi ab. Er verzichtete auf polemische Angriffe auf Brüssel und Berlin. Renzi ist dabei keineswegs mit allem einverstanden. Auch er möchte die strikte Sparpolitik zugunsten von mehr Wachstum lockern und Europa „humaner“ machen. Von Ton und Inhalt her wagte es Renzi aber, einen proeuropäischen Wahlkampf zu führen. Sein großer Erfolg stärkt ihn für kommende Aufgaben: Im Juli übernimmt Italien die Ratspräsidentschaft der EU.

Ja, so hätten wir Italien gern. Und wenn nicht, und die Italiener am Ende auf die Idee kommen sollten, eine andere Partei als die zu wählen, mit der man sich in Deutschland seit langem arrangiert, dann wird eben der Hahn zugedreht. So geht europäische Politik. Da muss man sich nicht wundern, dass der europäische Gedanke völlig den Orkus heruntergegangen ist. Revanchistische Gefühle gegenüber Deutschland sind wieder salonfähig. Deutschland hat all denen die beste Rechtfertigung geliefert, die in ihren Ländern nichts ändern möchten: Das deutsche Gespenst eignet sich bestens dazu, von den wahren Problemen abzulenken. Praktisch alternativlos. Sozusagen.

2 Kommentare

  1. Liebe Frau Reski,
    Ihr ZEIT-Artikel von gestern argumentiert ähnlich wie Ihr Blog-Eintrag, aber Sie haben stärker die italienischen Probleme hervorgehoben. Die gibt es zweifellos alle, aber in den deutschen Debatten, in denen ohnehin unentwegt von der allgemeinen ökonomischen Unfähigkeit der mediterranen Völker die Rede ist, müsste man viel stärker darauf hinweisen, dass sie mit der strukturellen Misere der Eurozone nichts zu tun haben. In diesem Zusammenhang gibt es vor allem ein Problemland. Es heißt Deutschland. Ich hoffe, dass das offen imperiale Auftreten der deutschen Großen Koalition wenigstens den Mittelmeeranrainern die Augen geöffnet hat und sie den Glauben an Deutschlands „Partnerschaft“ endgültig verloren haben.

  2. So wie deutsche Touristen es lieben ihre Handtücher an den besten Liegeplätze ausbreiten, so breitet auch Germany ihr „Handtuch“ der finanzielle Gewalt über die Schwächeren. Das könnte eine Fehlkalkulation sein seitens Deutschland un seitens der Troika mit unangenehmen Folgen.
    Das Seil an der die Troika zieht, ist sehr dünn geworden.

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