Exkommuniziert

imageJubel, Jubel, Jubel. Papst Franziskus exkommunizierte die Mafiosi. Weshalb ich gestern kurz nach meiner Ankunft in Palermo noch mal in die Kirche Santa Maria della Kalsa gegangen bin, der Kirche von Padre Frittitta – einem jener vielen sizilianischen Priester, die untergetauchten Mafiosi im Versteck die Beichte abnahmen und sich stets damit rechtfertigten, dass es nicht die irdische Justiz sei, die das letzte Urteil zu fällen habe, sondern die göttliche – der sie als deren demütiger Handlanger nichts anderes als einen Dienst erwiesen. Seelen retten. Als Padre Frittitta festgenommen wurde, verteidigten die Karmelitermönche ihren Mitbruder  und belehrten die Staatsanwaltschaft, dass die Kirche nie gegen etwas sei,  sondern immer nur mit: mit den gepeinigten Seelen, mit jedem einzelnen Sünder, den es zu retten gelte. Und in Novica, einer der palermischen Kurie nahe stehenden Zeitschrift, war zu lesen: Auch der meistgesuchte Mafioso der Welt muss sicher sein können, dass er zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Geistlichen finden kann, der ihn weder an die Staatsanwaltschaft noch an die Polizeipräfektur ausliefert.

 Genauso argumentierte auch Don Pino im kalabrischen San Luca, jenem Dorf, das als „Mutter der Ndrangheta“ gilt: Das Böse muss mit dem Guten bekämpft werden, sagte Don Pino – der nicht nur für das Seelenheil von San Luca zuständig ist, sondern auch für den Wallfahrtsort Santa Maria di Polsi. Dort ist er geistiges Oberhaupt – eine Rolle von nicht geringem Gewicht, gilt der Wallfahrtsort doch als Versammlungsort der ’Ndrangheta. Als im Jahr 2010 am Ende der Ermittlungsaktionen „Crimine“ und „Crimine 2“ über 340 Mitglieder der ‘Ndrangheta in Italien, Australien, Kanada, Deutschland und der Schweiz verhaftet wurden, gab es auch ein Polizeivideo, das die Bosse beim Treffen im Wallfahrtsort Santa Maria di Polsi zeigte. Als ich das letzte Mal in Santa Maria di Polsi war, kamen mir sehr viele Gesichter bekannt vor, ich kannte sie von Fahndungsfotos.
Das Abbild der Madonna von Polsi wurde auch in dem Restaurant »Da Bruno« in Duisburg gefunden. Zusammen mit einem amerikanischen Sturmgewehr, Kaliber 223, einer Statue des Erzengels Michael, einem am Kopf angebrannten Heiligenbild des gleichen Heiligen, einem Gebetbuch, Munition des Kalibers 280, diversen Ersatzmagazinen und der Quittung einer Anzahlung über dreihundert Euro für einen gepanzerten Peugeot-Lieferwagen, ausgestellt für den Killer – der nach Duisburg gefahren war, um sich Waffen für das nächste Attentat gegen den verfeindeten Clan Nirta-Strangio zu besorgen.
Ja, es ist wunderbar, dass Papst Franziskus klare Worte fand.  Aber auch Papst Johannes Paul II. hat 1992 die Mafia als Ausgeburt des Teufels verdammt und die Mafiosi aufgerufen, sich zu bekehren. Seine gewiss nützliche Entrüstung änderte allerdings nur wenig. Denn der Gott der Mafiosi ist der, den sie sich nach ihrem Abbild geschaffen haben.
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P.S.: Als ich gestern in Palermo ankam, waren übrigens gerade 95 Mafiosi verhaftet worden. Nur mal so, zum Aufwärmen. Darunter auch ein Politiker, ein ehemaliger Unternehmer, sich damit vorgetan hatte, sich gegen die Zahlung von Schutzgeld auszusprechen. Aber als es um Wählerstimmen ging, fand auch er es praktisch, sich direkt an die Bosse zu wenden:  1500 Stimmen für 10 000 Euro.

6 Kommentare

  1. es muss ein hartes Leben sein, in Italien unter so vielen Mafiosi zu leben, und immer Bücher schreiben zu müssen, oder ?

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