Es lebe die Biennale

Ich lebe in einer Stadt, die an der Liebe von dreißig Millionen Menschen pro Jahr leidet.

Kein Grund zur Klage, werden Sie sagen, zu Recht, denn es gibt schlimmere Schicksale, Leukämie zum Beispiel oder Abhängigkeit von Lösungsmitteln oder ein Leben in der polaren Klimazone, wo nur bestimmte Flechtenarten eine Überlebenschance haben. Tatsächlich wollte ich auch gar nicht klagen, sondern nur meiner Erleichterung Ausdruck verleihen: Zur der Zeit der Biennale sieht man in Venedig nicht nur Menschen, die aussehen, als hätten sie hätten sie sich gerade von einem Badelaken erhoben, also in Flipflops, Bermudashorts und T-Shirts, mit Rucksäcken, groß wie Kindersärge, in der Hand eine Einskommafünfliterflasche Mineralwasser, auf dem Kopf eine Baseballmütze mit der Aufschrift God bless Vip-Room – wie man eben aussieht, wenn man es sich zum mitgebrachten Mittagessen auf dem Treppenstein gemütlich machen möchte. Sondern: Männer in Stoffhosen! In Anzügen! Manche trugen sogar weiße Hemden und Krawatten! Ich sah einen Mann in rosa Jackett und mit violetter Fliege, ich sah eine Frau mit türkisfarbenen Haaren und Samtcape und einen Mann mit einer Toilettenbrille um den Hals, aber gut, das wird vermutlich nicht Mode machen, und, wie gesagt: Ich will nicht klagen.

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