Ich habe mich daran gewöhnt, dass manche Briefe an mich nie ankommen. Von Päckchen ganz zu schweigen. Vor allem die Päckchen mit Nürnberger Lebkuchen, die mir meine Tante Ruth zu Weihnachten schickt. Oder Päckchen mit CDs. Überhaupt kommen Päckchen, deren Inhalt sich ertasten oder erschütteln lässt, nicht an. Man könnte sich damit abfinden. Und auf UPS umsteigen. Aber die wahre Perfidie der italienischen Post besteht darin, dass sie, wenn niemand mehr an sie glaubt, einen Brief ankommen lässt, der in ungelenker Handschrift und Orthographie adressiert ist an: Petra Reski (scrittrice tedesci), Marco, Venedig, Venezia (Veneto).
Als ich den Absender las, erinnerte ich mich an das greise Ehepaar aus Hamburg, das ich vor einiger Zeit im Vaporetto getroffen hatte, und das ich zu seinem Hotel begleitet hatte. Am nächsten Morgen hinterlegte ich im Hotel zwei Bücher, als Erinnerung. Und noch lange dachte ich darüber nach, dass Venedig und Chioggia in der Erinnerung dieses Ehepaars als ewige Sehnsuchtsorte fortgelebt hatten. Ein halbes Jahrhundert lang. Und jetzt war das Paar in dieses Arkadien zurückkehrt. Für zwei Tage.
Liebe Frau Reski!
Vielen herzlichen Dank für die tollen Bücher, sowie für Ihre nette Begleitung zu unserem Hotel. Venedig im Dunkeln, wir kennen Venedig nur am Tage, sind vor 50 Jahren 4x mit dem Vaporetti von Chioggia nach Venedig gefahren für einen Tag. Diese 2 Tage Venedig, es war für uns wie 14 Tage Urlaub. Am ersten Tag sind wir morgens nach Chioggia gefahren, Schiffe fuhren nicht mehr, die Saison war beendet. So sind wir leichtsinnig geworden und mit dem Wassertaxi nach Chioggia gefahren auf der Lagune im Sonnenschein war so herrlich, mit dem Bus wäre es zu spät geworden, dunkel jetzt. Aber es sehr, sehr schön Chioggia u.Sottomarina. 1975 waren wir zuletzt da, da hat unser Freund geheiratet. Leider haben wir keinen mehr angetroffen, wie hatten so viele Italiener als Freunde, haben am Strand Boccia und Tamborelli zusammen gespielt, abends waren wir alle zusammen zum Tanzen im „Astoria“ Tanzpalast, das „Astoria“ ist ja noch da, auch unsere Pension „Gioia“ ist auch noch da, wo wir vor 50 Jahren Urlaub gemacht haben. Es war ein Erlebnis für sich. Am zweiten Tag sind wir nach dem Markusplatz gegangen, haben uns schön hingesetzt, Café getrunken, alles noch mal genossen, mittags haben wir an der Rialtobrücke zu Mittag gegessen, wie vor 50 Jahren, nur es war ein anderer Besitzer dort. Es wirklich ein kleiner, gelungener Ausflug. Liebe Frau Reski, wir wünschen Ihnen u. tuo Marito eine schöne Adventszeit, alles Liebe, alles Gute, die „netten Hamburger“.
Und dann hätte ich fast geheult.