Teufel. Schlamm. Und eine einfache Geschichte.

Ich weiß nicht, welcher Teufel mich gestern in den Film von Ermanno Olmi getrieben hat: „Il Villaggio di Cartone„. Flüchtlingsdrama+Katholische Kirche=Vollnarkose. Natürlich gebiert eine Afrikanerin wieder vor der Kamera ein Kind, wie schon in Terraferma von Emanuele Crialese. Der Priester sieht aus wie der liebe Gott, die afrikanischen Flüchtlinge suchen in seiner Kirche Zuflucht und müssen vor der Kamera ständig ein lebendes Altarbild darstellen und ohne Ende Bibelsprüche deklamieren, gut, wir leben in Italien, aber müssen wir dafür bestraft werden?

Doch woanders ist es auch nicht besser. Jedenfalls nicht, was das Wetter betrifft. In Wuthering Heights von Andrea Arnold (sehr frei nach dem Roman Sturmhöhe von Emily Bronte erzählt), verläuft ein wesentlicher Teil des Zwei-Stunden-Films im Schlamm des Yorkshire. Die Regisseurin hat einen ausgeprägten Kunstwillen, daher der Schlamm und sehr viele Nahaufnahmen von Farn, Fasanenfedern und allerlei Flechten. Es wird kaum geredet. Sehr eindringlich sind jedoch die Geräusche, etwa die knackender Genicke (Kaninchen) oder von Köpfen (Menschen), die gegen eine Holztür geschlagen werden, was sehr an eine Performance von Martina Abramovic erinnert. Es ist vielleicht gemein, den Film darauf zu reduzieren, aber auch erleichternd. Aber dennoch: kein schlechter Film. Nur etwas anstrengend.

Dann aber wurde ich für meine Ausdauer belohnt, mit dem schönen Film Tao Jie, a simple life. Ein chinesischer Film – den ich nicht gesehen hätte (jahrelange Überdosis chinesischer Sozialdramen in Venedig), wenn mich die Kolleginnen nicht reingeschubst hätten. Ah Tao hat ihr Leben als Haushälterin einer Familie in Hongkong verbracht. Als sie alt und pflegebedürftig wird, möchte Ah Tao in ein Altenheim gehen – was in Hongkong vier Quadratmeter pro Person bedeutet, in Boxen, die durch Stellwände abgeteilt sind. Von ihren Angehörigen lebt niemand mehr, und die Familie, für die Ah Tao gearbeitet hat, ist nach Amerika gezogen – bis auf einen Sohn, Roger, der Ah Tao nun regelmäßig besucht. Kein Sozialdrama, sondern eine einfache, anrührende Geschichte über das Leben und wie es zu Ende gehen kann.

Gestern Abend schickten mir die deutschen Kolleginnen noch eine sms: „Schaust Du morgen früh wieder kamikazemäßig den Italiener?“ Habe ich nicht. Der zweite italienische Wettbewerbsbeitrag (Cristina Comencini: „Wenn die Nacht“) wurde, wie ich hörte, auch ohne mein Zutun ausgepfiffen.

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