Sie war schon da

Wo, wenn nicht in Venedig, kann man einen Film drehen, der den programmatischen Titel „The Tourist“ trägt? Seitdem fühle ich mich verfolgt. Egal, wo ich hinkomme, Brangelina war schon da. Fahre ich über den Canal Grande, sehe ich überall die schwimmenden Sichtblenden, die alle Paparazzi der Welt darauf aufmerksam machen sollen, dass hier Palazzo Mocenigo steht, in dem Brangelina wohnt. Gehe ich zum Sport, erzählt mir mein Trainer, dass ein ganzes Fitnesstudio in den Palazzo Mocenigo geliefert worden sei, weil Brangelina nicht einfach so in ein Sportstudio gehen kann, obwohl ihr angeboten wurde, extra für sie am Sonntag zu öffnen. Gehe ich zu La Perla, flüstert die Verkäuferin, dass gerade die Ware für Brangelina abgeholt worden sei, weshalb man sich bei La Perla besonders geehrt, ja geadelt fühle, gehe ich zu meiner Nageltechnikerin, erzählt sie mir voller Neid, dass eine Kollegin vom Festland für Brangelinas Fingernägel angeheuert werden sollte, auf Acrylbasis, was die Kollegin allerdings abgelehnt habe, nicht wegen des Acryls, sondern weil sie nicht verstehen konnte, warum sie sich verpflichten sollte, für Brangelinas Nägel vierundzwanzig Stunden am Tag zur Verfügung zu stehen. Gehe ich in die Bar, um einen Espresso zu trinken, erzählt mir der Barmann, wie halb Venedig dafür angestanden hat, als Komparsen in Brangelinas Film aufzutreten, und sogar jene venezianische Adelige sei akzeptiert worden, die von allen immer nur Bag Lady genannt wird, weil sie so aussieht, als hätte sie gerade in einer Mülltonne nach Essensresten gesucht. Treffe ich eine Freundin, erzählt sie mir, dass sie  Brangelinas Regisseur (vulgo Florian Henkel von Donnersmarck) auf einer Party traf, weshalb sie besinnungslos vor Bewunderung den Faux-Pas beging, in seiner Gegenwart das böse Wort Remake zu benutzen, welches der Film ja schließlich ist, nämlich von dem französischen Original „Anthony Zimmer“. Schlage ich den Gazzettino auf, springt mir Brangelina entgegen, die soeben den Palazzo Grassi besichtigt hat und ihre Kinder wie Stoffhasen hinter sich herschleift, und weil sie für die ganze Familie sogar Eintrittskarten gekauft hat, wird sie bald zur Ehrenbürgerin ernannt.

Ein Kommentar

  1. Liebe Frau Reski,
    zufällig haben wir gestern auf einem ARD-Kanal die Wiederholung einer älteren Planet-Wissen-Sendung mit Ihnen als Gast gesehen.
    Heute habe ich mich sofort „schlau gemacht“ und Ihre website aufgerufen. Wie interessant!! Wir – ganz besondes ich – sind durch die Romane von Donna Leon auf Venedig aufmerksam geworden. Bis dato galt unsere „ganze Liebe Rom“. Wir waren schon 11 x dort und sind im September wieder vor Ort.
    Im März diesen Jahres waren wir dann zum ersten Mal in Venedig – zwei der 20 Millionen Touris im Jahr. Wir haben uns trotzdem in Venedig soooo wohl gefühlt – es war ganz merkwürdig: ein „bisschen wie zuhause“. Vielleicht auch deshalb, weil wir die Donna-Leon-Verfilmungen mit Inbrunst sehen – immer und immer wieder: und sei es nur wegen der schönen Bilder von Venedig. Im März nächsten Jahres werden wir nun wieder nach Venedig reisen; wir haben uns in diese Stadt verliebt!
    Auch Ihre – sicherlich berechtigten – kritischen Bemerkungen über die Stadt können uns nicht abhalten ….. 🙂

    Wir fanden Ihren Bericht von Brangelina ganz witzig. Wir selbst standen auf einem Vaporetto und wollten zum Rialtomarkt. Da sprang ein Mann vom Fischmarkt auf die Markisen der Obststände – erst am nächsten Tag haben wir erfahren, dass die Dreharbeiten zu „Der Tourist“ stattfanden und die Stadt deswegen Kopf stand.

    Beste Grüße aus Gummersbach (bei Köln) senden Ihnen
    Gabriele und Frank Bergau

    PS: Ihr Buch „Der Italiener an meiner Seite“ habe ich heute morgen sofort bestellt!

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