Paviane auf freier Wildbahn.

Corleone - Il padrino

Mafia in Deutschland. Irgendwie niedlich, wie sie immer wieder neu entdeckt wird. Zuletzt im Tatort. Mir taten die Schauspieler leid, die hart an Sätzen wie „Mafia, das bedeutet, Macht zu haben, Adrenalin!“ kauen mussten (der grandiose Manfred Krug sagte: „Was ist das denn für ein Scheiß-Satz? Der raschelt ja im Mund.“). Brav wurde alles öffentlich-rechtlich abgearbeitet, der Giftmüll, die abtrünnigen Mafiosi, das Zeugenschutzprogramm. So wirkungsvoll wie dieser Tatort über die Mafia in Deutschland schläfern mich normalerweise nur Tierfilme ein, Paviane auf freier Wildbahn oder die Vermehrungsrituale von Schnappschildkröten.

Interessant fand ich auch, aus der „Nachbearbeitung“ des Tatorts zu erfahren, dass die Mafia in Deutschland glücklicherweise bereits der Vergangenheit gehört: „Die Lage war ziemlich mies. Heute ist Mafia-Angehörigkeit strafbar, und ihr Geld kann beschlagnahmt werden.“ Holla. Hat einige Staatsanwälte und Polizisten doch ziemlich erstaunt.

Dass sich hinter den vermeintlich „neuen Gesetzen“ reine Wahlkampfpropaganda verbirgt, hatte ich schon zur Zeit des 10. Jahrestages von Duisburg angemerkt. In der sogenannten Neuregelung kommt das Wort „Mafia-Zugehörigkeit“ gar nicht vor, die alleinige Zugehörigkeit zur Mafia, so wie sie im italienischen Paragrafen 416 bis definiert wird, ist in Deutschland nach wie vor kein Strafbestand. Und was die Beschlagnahmungen der Gelder betrifft: Insofern ein letztinstanzliches Urteil vorlag, konnten die Gelder von Mafiosi immer schon beschlagnahmt werden. Problem ist nur, dass die in Deutschland aktiven Mafiosi in Deutschland keine Vorstrafen haben. Erst recht nicht wegen Zugehörigkeit zur Mafia (weil: siehe oben). Und was die Verdachtsmeldungen wegen Geldwäsche betrifft: Dafür ist jetzt der Zoll zuständig. Und da wurde das Personal nicht nur halbiert, sondern hat auch keinen Zugriff auf polizeiliche Datenbestände. Wie der Bund deutscher Kriminalbeamter sagte: „Der Bundesfinanzminister hat uns einen Bärendienst erwiesen.“

Was ich mir für Deutschland wünsche, ist, dass die Mafia in Deutschland endlich mal aus der Polizeireporter-Kiste herausgezogen und ernsthaft diskutiert würde, wie es gesellschaftlich und politisch dazu kommen konnte, dass die Präsenz der Mafia in Deutschland nicht nur gesetzlich geduldet, sondern praktisch auch gefördert wird. Man muss kein „Mafiaspezialist“ sein, um das zu diskutieren. Aber es käme wahrscheinlich einer Zeitenwende gleich.

3 Kommentare

  1. In Venedig müssten ja jetzt die Champagner-Korken knallen. Wie mir scheint, war da ein alter Bekannter aus Stuttgart mit dabei (amico intimo von Oettinger). Hauptsächlich hatten die Carabinieri und, im geringeren Masse, auch die deutsche Polizei die meiste Arbeit damit, so hoffe ich doch, dass auch Sie sich stolz fühlen können, weil Sie dieses Thema in der Öffentlichkeit immer am Laufen und im Gespräch gehalten haben.

    Glückwunsch und Prost

    Kurt Noll

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