Filmfest 2 (und Mafia)

Dieses wunderbare Bild gibt es als Postkarte von No Grandi Navi – die eine große Demo (darunter eine kleine, feine Seeschlacht)  für den 23./24. September planen. Was uns hier natürlich am Herzen liegt, zumal in diesen Tagen des Filmfests, das morgen zu Ende geht.

Frühmorgens, wenn die Horden noch nicht eingefallen sind, lief für mich (wie immer) der schönste Film des ganzen Festivals. Also habe ich, wenn ich zum Lido fuhr, wie blöde fotografiert (und mich ein bisschen geschämt, wie immer, wenn ich mich wie ein Tourist benehme). Aber ja, auch ich wollte diese seltenen Momente festhalten, wenn Venedig noch sich selbst gehört: Venedig ist wie ein Liebhaber, von dem du weißt, dass er dich mit allen betrügt und den du dennoch nicht verlassen kannst.

Der Preis wird wie immer an einen Film gehen, den ich entweder nicht gesehen habe (The Shape of Water), aus dem ich rausgegangen bin (First Reformed, Paul Schrader) oder den ich komplett schwachsinnig fand (Mother von Darren Aronofsky ganz oben auf meiner Liste idiotischer Festivalfilme, ich würde sogar sagen, dass er diesen im Schlamm spielenden russischen Schwachsinnsfilm übertrifft, wo sich die Frau die Barthaare ihres Geliebten in den Mund steckt). Bei „Mother“ gab es jede Menge blutiger Astlöcher, in denen Jennifer Lawrence herumpult, und selbst Javier Bardem konnte die Chose nicht retten. Als Schriftstellerin bin ich allerdings beeindruckt, wie es ein Regisseur hinkriegt, komplett auf jede Logik zu verzichten und einfach nur diverse blutige Astlöcher, einen Schriftsteller mit Schreibblockade, irre Fans, ein kleingehacktes Baby und ein explodierendes Spukhaus aneinander zu reihen und zu glauben, dass das Ganze funktioniert.

Mein Lieblingsfilm war „Three Billboards outside Ebbing“ (die Mutter eines ermordeten Mädchens mischt die verschlafene Polizei auf) mit der wunderbaren Frances Mc Dormand. Und ich nehme an, dass er schon aus diesem Grunde nichts gewinnen wird.

Mafia gab es auf dem Filmfest natürlich auch, in rauen Mengen, etwa bei Suburra, jetzt als Netflix-Serie, nachdem es letztes Jahr als Film lief (hatte einige Déjà-Vu-Erlebnisse). Wie der Roman auch geht es um die Geschichte der römischen Mafia (die laut Urteilsspruch plötzlich gar keine Mafia war, sondern nur Bandenkriminalität): „Mafia Capitale“, also Mafiosi, Politiker und Priester, wie im wirklichen Leben.

Aus Neapel kam das Mafia-Musical Ammore e Malavita   Und obwohl ich immer skeptisch bin, bei „Mafia jetzt mal lustig“, fand ich es wunderbar, am besten natürlich die Szene im Krankenhaus, zu What a feeling auf Neapolitanisch. (Ist natürlich nicht das erste Mafia-Musical, das erste hat Roberta Torre 1997 ebenfalls in Venedig vorgestellt: Tano da morire.)

Mich erinnerte das an meine Begegnung mit Carmine Sarno, auch genannt ‚o topolino, das Mäuschen, einem neapolitanischen Camorra-Boss und Musikproduzenten, weshalb sein Herrschaftsgebiet, der Vorort Ponticelli in Neapel auch „la piazza dei cantanti“ genannt wird. Die Musik der Neomelodici dient, wie die Mafiamusik der ‚Ndrangheta auch, nicht nur dazu, Propaganda für die Mafia zu machen, sondern auch, Botschaften an Clans zu überbringen, wie es ein abtrünniger Camorrista über den Sänger Alessio behauptete (gegen den allerdings nicht ermittelt wird, die Behauptungen eines Abtrünnigen sind erst relevant, wenn sie von anderen Quellen bestätigt werden). Eine Nacht lang habe ich Carmine und Alessio begleitet, eine sehr interessante Erfahrung. „Alessio wurde durch mich geboren“, sagte Carmine Sarno damals zu mir. „Und er wird mit mir sterben.“ Alessio tritt übrigens auch in der Serie Gomorrha auf. Die Mafia liebt es, wenn sie als blutrünstig dargestellt wird.

An Carmine habe ich auch gedacht, als ich die erste Szene von Loving Pablo  sah, den Film über Pablo Escobars Aufstieg und Fall aus der Sicht seiner Geliebten. Da präsentiert sich Pablo Escobar einer Journalistin und späteren Geliebten (Penelope Cruz) als Wohltäter, der Häuser für die Armen baut. Sozusagen ein Klassiker. Carmine Sarno erzählte mir von seinen Wohltätigkeitskonzerten: eines für Kinder am Dreikönigsfest und eines zugunsten Körperbehinderter im September.

Allein Javier Bardem mit Kraushaar und Bauch zu sehen, lohnt sich. Ich Herzchen glaubte natürlich, dass sich Bardem das Fett dank Robert De Niros Method-Acting-Methode angefressen hätte, war aber nur eine – sehr glaubhafte – digitale Plauze. Die Narcos sind natürlich etwas grobschlächtiger als ihre italienischen Vorbilder, in jeder Hinsicht.

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