Venezianische Maulwürfe und venezianischer Exitus

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Venezianische Erfolgserlebnisse: Ein Mal die Gassen so zu blockieren, dass die Touristen nicht mehr durchkommen. Immerhin das haben wir heute geschafft. (Hier im Bild Paolo Lanapoppi, emeritierter Anglistikprofessor und Aktivist des Kulturschutzbundes Italia Nostra – der gegen den Verkauf und den Umbau der deutschen Handelsniederlassung klagte, verlor und sich dennoch nicht beirren lässt: Italia Nostra hat konkrete Pläne zum Überleben in diesem Death Valley entwickelt, ein „Manifest für Venedig“: herunterzuladen hier.)

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Bei exzellentem Demo-Wetter sind wir mitsamt unserer Rollenkoffer oder Einkaufswägelchen vom Campo San Bortolomio

14937243_998176716960534_3316604312973054624_nbis zum venezianischen Rathaus gezogen. Matteo Secchi, der Organisator von #Venexodus hat es geschafft, viele verschiedene venezianische Bürgerinitiativen für diese Demonstration zu vereinigen – was angesichts des italienischen Individualismus ein Wunder ist : Drei Italiener haben fünf verschiedene Meinungen. Inzwischen gibt es dreißig Bürgerinitiativen in der Stadt, die alle versuchen, Venedigs Schicksal zu wenden.

Allerdings haben nicht nur Venezianer an der Demonstration teilgenommen: Einige venezianische Stadträte haben Gelegenheit genutzt, um die Demonstration zu unterwandern. Eine gute Gelegenheit zum Stimmenfang läßt sich schließlich kein Politiker entgehen – worauf die demonstrierenden Venezianer „consiglieri infiltrati!“ skandierten und wir uns natürlich fragten: Wogegen demonstrieren die Stadträte? Etwa gegen ihre eigene Politik? Dagegen, die Stadt an den Meistbietenden verhökert zu haben? Dagegen, die Stadt in eine gigantische Zimmervermietung verwandelt zu haben? Gegen den venezianischen Exitus, an dem sie seit Jahren unermüdlich arbeiten? Dagegen, unzählige Nutzungsänderungen für Wohnungen erlassen zu haben, von privat zu hotelgewerblich? Etwa für die Stadträtin, die ihre fünf Wohnungen erst an ihren Ehemann vermietete, der eine Agentur für Luxus-Ferienwohnungen betreibt, und dann für ihre Wohnungen eine Nutzungsänderung beantragte, im venezianischen Stadtrat, in dem sie selbst sitzt?

Sind natürlich alles Fragen, die ein bißchen wie Rotkäppchen klingen: „Stadträte, Stadträte, warum seid Ihr zur Demonstration gekommen? Damit wir Euch besser fressen können!“

Eine Stadträtinn postete danach sofort das obligatorische Selfie auf Facebook, unter dem in schönstem Pfarrgemeinde-Duktus zu lesen war: „Inmitten der Bürger, um über die Zukunft der Stadt zu diskutieren“. Eigentlich hätte nur noch der Bürgermeister gefehlt, der gegen seine eigene Politik demonstriert.

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(Hier im Bild: Massimo Cacciari, der sogenannte und von den Medien viel geliebte „Philosophenbürgermeister“, Luigi Brugnaro, der jetzige Bürgermeister und diverse andere Spießgesellen, denen eine gute Reise gewünscht wird.)

Nachtrag: Hier auch noch kleine Presseschau auf Französisch und Deutsch.

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