Der Pakt

Endlich* kann man den Film „La Trattativa“ von Sabina Guzzanti auf you tube sehen, was ich unbedingt allen ans Herz legen möchte, die sich für Italien interessieren. Die „Trattativa“ bezeichnet den Pakt zwischen dem italienischen Staat und der Mafia, der 1992 zur Ermordung der beiden Antimafia-Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino und zu einer Attentatswelle im Jahr 1993 führte, an deren Ende der politische Aufstieg von Berlusconi stand, der 1994 die Wahlen gewann. Es ist ein Pakt, der bis heute andauert.

Der Film ist eine Collage aus gespielten Szenen – so grotesk und gruselig wie die italienische Wirklichkeit der letzten 25 Jahre, außerdem sind Interviews mit Staatsanwälten, angeklagten Ministern und abtrünnigen Mafiosi zu sehen, sowie jede Menge dokumentarisches Material, wobei die Szenen von der Beerdigung von Falcone und Borsellino sicher zu den eindringlichsten gehören. Alles, was in dem Film vorkommt, ist – leider – wahr. Belegt mit Bergen von Prozessakten und Ermittlungsunterlagen. (Hier spreche ich im Deutschlandradio über den Film)

Sabina Guzzanti, die einigen vielleicht als Autorin des Dokumentarfilms Draquila über das Erdbeben in L’Aquila in Erinnerung ist, zeigt in ihrem Film „La Trattativa“ wie sich Mafiabosse, Minister, Staatspräsidenten, hohe Beamte, Geheimdienstler und Freimaurer wie langjährige, vertraute Geschäftspartner besprechen, um wieder an den Punkt der friedlichen und fruchtbaren Zusammenarbeit zurückzukehren, an dem sie sich befunden haben, als Ende der 1980er Jahre alles aus dem Gefüge geriet: Die Mauer fiel, die etablierten Parteien gingen in Folge des Korruptionsskandals unter, die Urteile des Maxiprozesses wurden nicht wie gewohnt „zurechtgerückt“, sondern in letzter Instanz bestätigt.

Nach der Premiere in Venedig wurde die Regisseurin Sabina Guzzanti sofort gegeißelt – für den Film und für ihre Aussage, dass auch Matteo Renzi eine der „Früchte“ dieser Verhandlungen zwischen Staat und Mafia sei: Politiker von Forza Italia bis PD tobten. Was aber nichts daran ändert, dass es, gelinde gesagt, etwas bizarr anmutet, wenn Renzi es für opportun hält, mit niemand anderem als mit dem vorbestraften Gewohnheitsverbrecher Silvio Berlusconi an einen Tisch zu setzen, um einen weiteren Pakt zu schließen, den Pakt des Nazareno (so genannt, weil die Unterredung über die Zusammenarbeit zwischen Renzi und B. in der Parteizentrale der PD stattfand).

Die Trattativa, die Verhandlungen zwischen dem italienischen Staat und der Mafia, sind mehr als ein Film: Sie sind Vergangenheit, Gegenwart und – falls nicht endlich etwas passiert – auch die Zukunft Italiens. Besonders gut gefiel mir, wie Sabina Guzzanti am Ende des Films feststellt, was diese Verhandlungen zwischen Staat und Mafia für jeden einzelnen Italiener bedeuten. Denn die Herrschaft einer politischen Klasse, die sich mit der Mafia verbrüdert hat, hat einen moralischen Verfall ohnegleichen zur Folge gehabt: Korruption wurde zum Kavaliersdelikt, die Umwelt bedenkenlos zerstört – und der Opportunismus Intelligenz genannt. Ich möchte diesen Film allen ans Herz legen, die Italien lieben und hoffe, dass er auch irgendwann in Deutschland ins Kino kommt.

Aus den italienischen Kinos ist er sofort verschwunden.

*(Nachtrag um 14.21 Uhr: Aus youtube ist der Film auch schon wieder verschwunden. Tja.)

(Nachtrag um 23.30 Uhr: Und jetzt kann man ihn hier wieder sehen …)

Mistero.

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