Solidarität mit Nino Di Matteo

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Der sizilianische Staatsanwalt Nino Di Matteo führt die Anklage im Prozess um die „Trattativa“, den Pakt, den die Mafia mit Teilen des italienischen Staates schloss – mit Ministern, Präsidenten, Staatssekretären, Polizisten, Geheimdienstlern. Dass dieser Pakt bis heute besteht und funktioniert, kann zur Zeit jeder in Italien sehen: Der Mafiaboss Totò Riina rief zum Mord an Nino Di Matteo auf  – und Totò Riina ist kein Geringerer als der Mafiaboss, der in den Neunzigerjahren den italienischen Staat mit seinen Attentaten gegen den Andreotti-Vertrauten Salvo Lima und dann gegen den Staatsanwalt Giovanni Falcone an den Verhandlungstisch bombte. (Hintergründe zu dem Prozess auch hier)

Die “Trattativa” ist die Essenz der Mafia – die von ihren Ursprüngen an stets mit der Politik zusammengearbeitet hat: Mafia und Politik verhalten sich zueinander wie der Fisch und das Wasser, sagte einst der Mafioso Antonino Giuffrè: Es gibt kein Wasser ohne Fische und keinen Fisch ohne Wasser. Für die gelungene Zusammenarbeit zwischen Politik und Mafia gibt es in der italienischen Geschichte zahlreiche Beispiele, das des siebenfachen Ministerpräsidenten Andreotti  ist nur eines davon. Als “Mutter” aller Verhandlungen zwischen Mafia und Politik gilt die Landung der Amerikaner in Sizilien – die von Lucky Luciano arrangiert und damit belohnt wurde, eine Reihe von Mafiabossen zu Bürgermeistern zu machen.

Hintergrund der Klage der Palermitanischen Staatsanwaltschaft ist die Vermutung, dass Paolo Borsellino ermordet wurde, weil er damals von der “Trattativa”  erfahren und sich ihr widersetzt hatte. Seitdem die Staatsanwaltschaft Palermo diesen Prozess führt, versuchen die darin verwickelten Politiker (sowohl rechte wie linke) vereint mit den ihnen zur Verfügung stehenden Medien (95 Prozent der italienischen Medien) alles, um sich der Missetäter zu entledigen. Ausnahme ist wie immer die Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“, in der in diesen Tagen ein Interview mit Nino Di Matteo zu lesen war.

Di Matteo und die Staatsanwälte, die mit ihm den Prozess führen, wurden mit zahllosen Drohbriefen bedacht – nicht nur von der Mafia, sondern auch von den Geheimdiensten. Bei einem jungen Staatsanwalt wurde eingebrochen – und sogar die linksdemokratische Richtervereinigung Magistratura Democratica hielt es für angebracht, sich eher auf die Seite der Politik zu schlagen, als sich mit den bedrohten Kollegen (von denen einige zur linksdemokratischen Richtervereinigung gehörten) solidarisch zu erklären.

Nur auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass Toto Riina, der sich ja eigentlich in der (de facto nicht mehr bestehenden) Hochsicherheitshaft befindet, sich im Gefängnis beim Umschluss mit einem Boss der Sacra Corona Unita lautstark austauschen und seinen Mordaufruf in die Welt trompeten konnte. Aber Riina ist eben der Mann für die schmutzigen Aufträge.

Von Seiten der italienischen Politik, vom Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten, von der Parlamentspräsidentin oder vom Senatspräsidenten: kein Wort. Nicht mal die ansonsten beliebte Heuchelei. Die Parlamentspräsidentin war zu beschäftigt – sie hatte alle Hände voll damit zu tun, ihre Trauerreise zu Mandelas Beerdigung medienwirksam zu verbreiten. Der italienische Staatspräsident, der ansonsten jede Woche eine Ermahnung in die Welt bläst, schweigt natürlich auch – was verständlich ist, er ist einer der schärfsten Widersacher des Prozesses um die Trattativa. Giorgio Napolitano ist seit mehr als 60 Jahren in der italienischen Politik und kennt die Hintergründe des Zusammenspiels zwischen Mafia und Politik wie kein zweiter.

Nachdem der Mordaufruf in der Welt war, wurde nicht etwa der Mafiaboss Toto Riina isoliert – sondern der Staatsanwalt Nino Di Matteo. Er hätte letzte Woche an einer Verhandlung in Mailand teilnehmen sollen – was ihm aber „aus Sicherheitsgründen“ versagt wurde. Ihm wurde nahegelegt, sich nur noch in einem gepanzerten Wagen zu bewegen, wie man sie aus dem Afghanistan-Krieg kennt. Was Nino Di Matteo ablehnte.

Die Aktivisten der Antimafia-Bewegung Agende Rosse sind die einzigen, die unermüdlich landauf, landab Solidaritätsdemonstrationen für Nino Di Matteo organisieren, unter anderem morgen in Palermo. Sie glauben nicht an die romantische Idee von der heilenden Kraft der Kultur – als könne die Mafia besiegt werden wie eine Rechtschreibschwäche, sondern suchen mit Salvatore Borsellino nach der «roten Agenda» und damit nach der Wahrheit.

Sie alle teilen die Erkenntnis, dass das Geheimnis des Überlebens der Mafia allein in ihrer Symbiose mit der Politik steckt.

 

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